Total übermüdet landeten Luca und ich am Flughafen in Yangon und entschieden uns für die (mal wieder) schwäbische und günstigste Variante, um ins Zentrum zu kommen - den Linienbus. Die Entscheidung bereuten wir (mal wieder) bereits nach kurzer Zeit, da der Fahrer seinen Führerschein wohl noch nicht so lange hatte oder aber einfach kein Feingefühl besaß. Mit blauen Flecken erreichten wir schließlich nach 1,5 Stunden unser Hostel, das "The Lodge Yangon", und ruhten uns erst einmal aus. Gegen Nachmittag besuchten wir die "Sule-Pagode" und den "Bogyoke Aung San Market" und staunten jedes Mal aufs Neue über die Vielzahl an jungen und alten sowie männlichen und weiblichen Mönchen, die durch die Straßen gingen und bettelten. Später erfuhren wir, dass hauptsächlich Kinder aus wohlhabenden Familien in Klöster gingen. Da sie aber nichts besitzen dürfen, sind sie auf Spenden angewiesen. Ein weiteres Highlight war definitiv die "Shwedagon Pagode". Hier sah man ganz klar, weshalb Myanmar auch "The Golden Land" genannt wird. Überall konnte man vergoldete Buddha-Statuen, Glocken und Pagoden bestaunen. Als wir den Sonnenuntergang auf der Dachterrasse unseres Hostels genossen, kamen wir mit Nico und Camilla aus Italien und Chris und Hannah aus Deutschland ins Gespräch. Chris und Hannah erzählten uns, dass sie den ganzen Weg von Deutschland bis nach Myanmar mit dem Fahrrad zurückgelegt hatten, über Österreich, Ungarn, Rumänien, die Ukraine, Georgien, Aserbaidschan, den Iran, Pakistan, Indien und schließlich Yangon in Myanmar. Unglaublich, was für Geschichten die beiden erzählten. Da wir den Tag über wenig gegessen hatten und ich mal wieder hangry wurde, besuchten Luca und ich abends den Food Market in der 19th Street. Während wir aßen kamen immer wieder Kinder und Menschen mit Behinderungen an unseren Tisch und bettelten. Als dann ein alter Mann mit Plastiktüte vor uns stand und um Essensreste bat, war es um mich geschehen... :(
Der letzte Tag in Yangon wartete mit einer besonderen Überraschung auf uns: ein verlassener Vergnügungspark. Es gestaltete sich bereits schwierig, den Eingang zu finden, da es sich hierbei lediglich um ein Loch im Zaun handelte. Aber nach kurzem Suchen fanden wir den heimlichen Eingang und staunten nicht schlecht: der Park wurde erst 6 Jahre zuvor geschlossen, die Natur hatte sich aber schon wieder alles zurückerobert. Eine Achterbahn, Karusselle, Boxautos und vieles mehr wartete auf uns. Der Grund für die Schließung des "Abandoned Amusement Parks" ist nicht ganz geklärt, vermutet wird aber der Bankrott des Parks. Die Mitarbeiter wurden kurzerhand entlassen und viele von ihnen wohnen heute noch in den ehemaligen Imbiss-Häuschen des Parks. Die Fahrgeschäfte sind mittlerweile überwuchert von Bäumen und Sträuchern. Das Ganze hatte eine unheimliche aber gleichzeitig auch faszinierende Atmosphäre.
Nach 12 Stunden Busfahrt erreichten wir früh morgens mit eingeschlafenen Beinen das Dörfchen Nyaung Shwe am Inle-Lake, ein See, an dem man unglaublich viel unternehmen kann. Wir entspannten den Rest des Tages am Pool und bei einer kleinen Fahrradtour und freuten uns auf die Bootstour über den See am nächsten Tag – denn das Leben der Menschen am Inle-Lake spielt sich größtenteils am und auf dem See ab.
Die Tour mit dem Fischerboot startete relativ früh, so dass wir dick eingepackt und trotz Decke auf dem langen schmalen Boot noch froren. Wir tuckerten den Kanal entlang, beobachteten Kühe beim Grasen und erreichten schließlich den See, der dann doch trüber als gedacht war. Schon bald entdeckten wir den ersten Einbeinruderer und waren entzückt. Allerdings nur so lange bis wir feststellen mussten, dass er gar kein echter Fischer war, sondern nur für Touristen posierte. Auf unserer weiteren Fahrt quer über die Insel sahen wir aber zum Glück noch einige Einheimische, die die halsbrecherischen Posen machten, um tatsächlich Fische zu fangen. Wir fuhren an Stelzenhäusern vorbei, tuckerten durch schwimmende Gärten und waren fasziniert von dem Netz aus unzähligen Wasserstraßen. Ganze Dörfer waren auf dem Wasser errichtet und wir hielten des Öfteren an verschiedenen Manufakturen an. In den Stelzenhäusern befinden sich zahlreiche Handwerksbetriebe, wie beispielsweise Silbermanufakturen oder Lotus- und Seidewebereien. Lotusweberei wird auf der ganzen Welt nur am Inle-Lake betrieben, weshalb ein Hemd (das sich weder angenehm anfühlte noch gut aussah) 1.250 Dollar kostete. Aber wir wurden darüber aufgeklärt, dass das Material im Sommer kühlend und im Winter wärmend war. Zwar versuchten uns die Einheimischen nach einer Führung zum Kauf zu überreden, wir fühlten uns aber nie dazu gedrängt. Ein weiteres Highlight der Bootstour war definitiv ein Zwischenstopp beim "Shwe Inn Thein Paya". Der antike In-Dein-Pagodenwald besteht aus über 1.000 Stupas, von welchen einige bereits verfallen und von Bäumen und Büschen überwuchert sind. Hier könnte man vermutlich Tage verbringen und immer noch Neues entdecken. Als letzte Station hielten wir an einem Ort mit einer ungewöhnlichen Tradition: den Padaung-Frauen. Die Padaung sind ein Bergvolk, deren Frauen von Kindheit an schweren goldenen Halsschmuck tragen, der den Hals scheinbar verlängert. Die Frau, die wir dort trafen, trug diesen Schmuck schon seit über 45 Jahren. Doch anders als angenommen verlängern die 22 Ringe nicht ihren Hals, sondern drücken die Schultern nach unten. Die meisten Mädchen bekommen die ersten fünf Ringe mit neun Jahren und dürfen sie trotz Schmerzen nicht abnehmen. Die Tour dauerte schlussendlich den ganzen Tag und bescherte uns spannende Einblicke in das Leben am Inle-See.
Am letzten Abend in Nyaung Shwe fuhren wir mit unseren geliehenen Drahteseln zu den Weinbergen "Red Mountain Estate" und genossen den Sonnenuntergang bei Pizza und Pasta und mit Blick über den See.
Sand zwischen den Zähnen, aufgekratzte Beine und die unbeschreiblich schönsten Sonnenaufgänge – das ist Bagan, der wohl magischste Ort, den ich je gesehen habe. Wir erreichten Bagan morgens um 3:30 Uhr und wurden von einem überteuerten Taxi-Fahrer zu unserem Hotel gebracht. Dort brannte zwar Licht, die Tore waren jedoch alle verschlossen. Auch nach mehrfachem Klopfen und Rufen rührte sich nichts, sodass unser Taxi-Fahrer anfing an dem Tor zu rütteln und laut zu rufen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erschien ein nur in T-Shirt und Unterhose bekleideter Mann – ein Gast des Hotels – der durch unseren Affenzirkus aufgewacht war. Er weckte den Rezeptionisten, der einen guten Schlaf zu haben schien (was wir später erneut feststellen mussten) und der uns schließlich zu unserem Zimmer brachte.
Nach einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns mit einem E-Roller auf den Weg Richtung Old Bagan. Bagan ist eine historische Königsstadt in Myanmar, in der auf 36 qkm mehr als 2.000 Sakralgebäude aus Ziegelsteinen errichtet wurden. Die meisten Tempel, Klöster und Pagoden konnte man bis 2016 noch besteigen und den herrlichen Blick über die versteppte Landschaft auf legalem Wege genießen. Durch ein Erdbeben wurden jedoch viele der Bauten beschädigt und aus Sicherheitsgründen für Touristen gesperrt. An den meisten befinden sich aus diesem Grund Tore mit Schlössern oder die Eingänge wurden mit riesigen Dornbüschen versperrt. Doch gerade deshalb ist die Besteigung der Tempel und Pagoden so reizvoll. Und so waren wir nicht die Einzigen, die Kletterversuche unternahmen, um die beste Sicht über Bagan zu erhalten. Das Ganze entwickelte sich zu einem wahren Katz- und Mausspiel mit den einheimischen Wächtern. Sobald sie verschwunden waren, kletterten wir über die Zäune und Stufen nach oben. Das meiste währte jedoch nicht sehr lange, da schon bald wieder Trillerpfeifen ertönten und wir zurück nach unten steigen mussten. Einmal passierte es, dass wir es zwar mühselig schafften, über herausgeschlagene Steine nach oben zu klettern, den Abstieg aber fast nicht mehr schafften. Viele der Ziegelsteine waren locker und nicht geeignet, um sich daran festzuhalten oder draufzustehen und zu allem Überfluss war Springen auch keine Option, da wieder einmal Dornbüsche unten auf uns warteten. Wir schafften es schlussendlich dann doch noch und machten uns auf die Suche nach weiteren Abenteuern. Wir entdeckten einen Tempel, an dem keine Locals zu sein schienen. Der Eingang war mit vielen großen Ästen mit noch größeren Dornen versperrt, doch dahinter schien ein Loch im Tor zu sein. Also machte sich Luca daran, die Äste aus dem Eingang zu ziehen. Die mühselige Arbeit brachte einige Kratzer und blutige Finger mit sich und schien schier unmöglich. Doch Hilfe nahte… und zwar in Form einer Ziegenherde. Die mähenden Vierbeiner erfreuten sich der Äste und knabberten fröhlich daran herum, bis sie von ihren Besitzern weitergetrieben wurden. Danach waren es nur noch zwei kleinere Äste, und der Weg war frei. Wir zwängten uns durch das doch kleiner als angenommene Loch im Tor, stiegen die enge Treppe nach oben und wurden mit dem erhofften Ausblick belohnt. Wir hatten den ganzen Tempel für uns und konnten rundum die Sicht über die umliegende Landschaft und andere Pagoden genießen. Zwar hatten wir am Abend immer noch überall Dornen stecken, die ganzen Bemühungen haben sich aber allemal gelohnt, denn der Sonnenuntergang war überwältigend.
Noch viel überwältigender als die Sonnenuntergänge, waren die Sonnenaufgänge in Bagan. Dick eingepackt (wirklich dick: Jacke über Hoodie, Pulli, Sweatshirt, T-Shirt und Top und sogar Handschuhe) machten wir uns um 5:00 Uhr auf den Weg. Über die App Maps.me und einige Tipps auf Instagram entschieden wir uns für eine Pagode in der Nähe des Utrecht Klosters. Der Weg dorthin war jedoch abenteuerlicher als gedacht. Da es stockdunkel war kollidierten wir mit unserem E-Roller fast mit einer Kuhherde und wurden anschließend von unserem Navi auf einen Weg gelotst, der vor einem Tor endete. Da der Weg dahinter weiterzugehen schien, öffneten wir das Tor einfach und fuhren weiter. Wir fuhren an einer Hütte vorbei – besser gesagt durch die offene Küche (dem E-Roller sei Dank, dass wir niemanden aufgeweckt haben) – und landeten vor einem weiteren Tor, das verschlossen war. Genervt kehrten wir um, nur um festzustellen, dass vor dem Tor vier bellende und zähnefletschende Hunde auf uns warteten. Völlig im Zwiespalt, ob wir lieber den Sonnenaufgang verpassen oder uns mit den Hunden anlegen sollten, entschieden wir uns für die No-Risk-No-Fun-Variante, stießen das Tor auf und bretterten durch. Die Hunde verfolgten uns noch eine ganze Weile, ließen dann aber von uns ab und wir konnten aufatmen. Kurze Zeit später erreichten wir die Gruppe an Pagoden und erhielten von einem Einheimischen den Tipp, wo wir am besten hochklettern konnten. Und dann saßen wir da, blickten sprachlos über die weitläufige Landschaft, wo langsam die Sonne hinter einer goldenen Pagode aufging und Heißluftballons in den Himmel stiegen. Genau von diesem Anblick hatte ich seit meiner Kindheit geträumt und er war noch magischer und unbeschreiblicher, als ich mir je zu träumen erhofft hatte. Für diesen Anblick würde ich definitiv jeden Morgen so früh aufstehen!
Die letzte Station unserer Myanmar-Reise hieß Mandalay. Dieses Mal ging es nicht mit einem Bus weiter, sondern mit einem Boot. Und so bestiegen wir um 4 Uhr morgens über einen eher weniger vertrauenerweckenden Steg das Boot, das uns in 14 h auf dem Irrawaddy nach Mandalay bringen sollte. Wir schipperten an goldenen Pagoden und Blechhütten vorbei, beobachteten Kühe am Strand und Frauen beim Waschen. Das war mal ein etwas anderes Transportmittel, bei dem wir die Landschaft um uns herum in aller Ruhe genießen konnten. In Mandalay angekommen, besuchten wir am zweiten Tag die U-Beinbrücke bei Amarapura, die als die älteste und längste Teakholzbrücke der Welt gilt. Der Sonnenuntergang war magisch, als die letzten Sonnenstrahlen durch die Brücke schienen. Zum Abschluss unserer Zeit in Mandalay fuhren wir am letzten Tag mit dem Boot auf die andere Flussseite, nach Mingun. Die "Mingun-Pagode", die einst die größte Pagode der Welt werden sollte, erinnerte eher an einen riesigen Ziegelhaufen, der wenig spektakulär war. Viel imposanter war hingegen die "Hsinbyume Pagode", eine riesige weiße Pagode, bei der wir uns wie auf Wolke 7 fühlten. Auf dem Weg zurück zum Boot begegneten wir ein paar jungen Mönchen, die in Mingun im Kloster wohnten und trafen auf zwei süße kleine Strolche, die im Sand spielten.
Myanmar hat mein Herz erobert und mich mehr als überzeugt und ich wäre gerne noch länger geblieben. Aber das nächste Abenteuer wartete bereits auf uns: LAOS!
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